Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als seine Augen flatternd aufgingen. Es war nicht dramatisch oder filmreif wie in Filmen – kein plötzliches Keuchen oder verzweifelter Klammergriff ans Leben. Nur ein langsames, zögerliches Erwachen, wie eine Blume, die sich nach einem langen Winter der Sonne zuwendet. Ich las ihm vor, wie jeden Tag, meine Stimme wahrscheinlich rau von Stunden des Sprechens in das, was ich für Stille hielt. Und dann … da waren sie. Seine Augen. Die mich direkt ansahen.
Die ersten Sekunden waren pure Panik. Mein Verstand raste schneller als mein Herz: Erkennt er mich? Hat er irgendwas davon gehört? Was, wenn er mich hasst, weil ich zu weit gegangen bin? Aber dann geschah etwas Unerwartetes. Er lächelte. Kein großes, zahniges Grinsen – nur ein kleines, müdes Wölbchen seiner Lippen, als wäre er froh, mich zu sehen. Und in dieser winzigen Geste lösten sich all meine Ängste in diesem seltsamen, überwältigenden Gemisch aus Erleichterung und Schrecken auf. Erleichterung, weil er lebte. Schrecken, weil er jetzt vielleicht wirklich wusste, was ich empfinde.
Jetzt, sitzend ihm gegenüber in der Krankenhauscafeteria, während er Brühe schlürft und versucht, fragmentierte Erinnerungen zusammenzusetzen, ertappe ich mich dabei, wie ich ihn immer wieder anstarre. Sein Gesicht nach Hinweisen studierend. Bedeutet dieses Flackern in seinem Blick, dass er sich an mein Geständnis erinnert? Wenn er nach meinen Kursen oder dem Wetter fragt, ist er höflich … oder weicht dem Elefanten im Raum aus? Ein Teil von mir will schreien: „Erinnerst du dich?! Bitte sag, dass du es tust!“ Aber ein anderer Teil will so tun, als wäre nichts davon je passiert. Dass ich nicht meine Seele vor einem komatösen Jungen entblößt habe, der mich jetzt vielleicht für verrückt hält.